Die Adaption des Alten – Ein Debattenbeitrag zur Daseinsberechtigung digitaler Vollformatsystemkameras

Die SEO-Abteilung, so hätte ich eine, würde ob des Titels dieses Debattenbeitrags die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen. Um genau das zu illustrieren, würde ich bei Giphy.com den Suchbegriff „Facepalm“ eingeben und vielleicht bei Star Trek-Kapitän Jean Luc Picard landen. Jetzt habe ich keine SEO-Abteilung und so vermisse ich bei WordPress zwar die Möglichkeit, einen Untertitel zu setzen, aber manchmal kosten Entscheidungen auf den ersten Blick halt ein wenig.

Die Aufsteiger

„Verkaufe komplettes Dingsbums APS-C-System wegen Umstieg auf Vollformat“ – So oder sehr ähnlich liest man es häufiger in Foren zum Thema Hobbyfotografie und die Begründung für diese Art der Geldverbrennung steht oftmals gleich oben im Betreff – als ob es eine Erklärung ist. Im Grunde ist die einzige Erklärung für diesen Handel „Haben ist besser als Brauchen!“ Das ist nicht wirklich zu verurteilen, es kostet „nur“ Ressourcen und den Umsteiger viel Geld. Oftmals vielmehr, liebe Ehe- oder Lebenspartner/innen, als intern kommuniziert.

Die Argumente für eine Daseinsberechtigung digitaler Vollformatsystemkameras sind oftmals schnell und knackig, wie „mein Haus, mein Auto, mein Bankberater“ auf den Tisch geworfen und umfassen in der Regel die magischen Punkte „Freistellung aka Schärfentiefe“, „Auflösung“ und „High-ISO“. Das stimmt alles und es stimmt auch, dass es die Fotografien nicht besser macht. Oftmals sind die teureren Vollformatkameras auch von der Ausstattung etwas besser. Lange Rede – kurzer Sinn: Für mich zieht das nicht, auch weil zum Beispiel die Olympus OM-D E-M1X, eine Micro-Four-Thirds-Kamera mit viel zu kryptischen Namen in vielen Punkten den Bedürfnissen von Profis entsprechen wird.

Allerdings kostet die OM-D E-M1X auch 3.000 Euro und das bringt mich zur Sony a7 II (Affiliate), die ich unlängst neu und mit Garantie im stationären Handel in meiner Heimatstadt, also im Photohaus Collonaden, im Tausch gegen meine nunmehr neun Jahre alte Sony a850 und ein Objektiv eingetauscht habe. Ohne Inzahlungnahme wären 1.069 Euro fällig gewesen, also rund ein Drittel der OM-D E-M1X.

Selbstbild als Leica-Fotograf. Das Leica Summicron-R 2/50 an der Sony a7 II.

„Ich habe, also kann ich brauchen!“

Warum bringe ich die eine Vollformat-DSLR weg, um dann mit einer Vollformat-Systemkamera wieder aus dem Laden zu kommen? Was hatte ich eben noch behauptet? – Statt „Haben ist besser als Brauchen“ trifft hier zu „Ich habe, also kann ich brauchen!“ Was ist nicht habe, ist auch nur eines der Objektive, die ich unlängst in dieser Übersicht zusammengetragen habe, weil ich sie nicht brauche. Ich habe gar nicht vor, mein MFT-System rund um die Panasonic Lumix GX8 (meine Betrachtung) aufzugeben. Die Vorteile, die die kompakten Objektive auf Reisen und Ausflügen mit sich bringen, sind einfach zu groß, um diesen Komfort wieder aufzugeben. Okay, das Voigtländer Nokton 0,95/17,5mm (meine Betrachtung) fällt da raus, aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel!

Wo es noch etwas Nacharbeit bedarf, ist der Einsatz eines Superweitwinkels wie dem für das M-Bajonett angebotene Voigtländer Super Wide Heliar 4.5/15, das ich sonst gerne an meiner ZM nutze. Die Ecken brauchen noch etwas Zuwendung.

In meinem Schrank haben sich in den letzten Jahren, oftmals wie von Geisterhand, eine Reihe Objektive angesammelt und aus meiner Zeit mit den APS-C-Boliden Sony NEX-3 und NEX-6 auch noch zwei Adapter für das M- und M42-Bajonett. Aus dem Nachlass meines Vaters haben zudem Eingang gefunden drei wundervolle Leica-R-Objektive, die er vor Dekaden mit der ersten Leicaflex erstanden hatte. Da ich mich analog nicht noch breiter habe aufstellen wollen, ich diese Schätze von hohem sentimentalem Wert und mit wundervoller Optik aber auch nicht billig veräußern wollte, kaufte ich mir den Novoflex NEX/LER-Adapter (Affiliate) und ich könnte kaum zufriedener sein. Dank der guten Assistenzsysteme der a7 II (Peaking und sehr durchdachte Lupe) ist das Fokussieren ausgesprochen komfortabel und treffsicher. Nicht anders stellt es sich dar bei meinen Pentacon- und Pentax-Objektiven mit dem M42-Bajonett dar. Auch hier verwende ich einen Novoflex-Adapter, das Modell NEX/CO (Affiliate).

Ganz angetan bin ich zum Beispiel vom Bokeh des Pentacon auto 1.8/50 bei Offenblende f1.8. Diese völlig diffusen Zweige im Hintergrund habe ich in dieser Form selten gesehen. Natürlich ist es schnell auch zu viel, aber mit „Augenmaß“ eingesetzt, mag ich es sehr.

Autofokus geht

Ganz verrückt wird es dann aber mit meinem Techart-Adapter, der mir erlaubt, Objektive mit M-Bajonett mit Autofokus an der a7 II zu benutzen. Da wird es schon fast unheimlich, aber man darf ganz unbesorgt sein: Er ist gut, aber nicht perfekt! Wer zum Beispiel auf die Objektivbrennweite in den EXIF-Dateien nicht verzichten kann, dem steht es frei, diese nach Ansetzen von Adapter und Objektiv einzugeben per Blende an der Kamera. Montiere ich zum Beispiel ein 50 mm, gehe ich im M-Modus auf die Blende 25 und schieße ein Bild. Dann weiß die Kamera Bescheid. Was sie dann immer noch nicht weiß, ist die benutzte Blende. Den Adapter solltet ihr übrigens über einen Ringfoto-Händler kaufen und nicht per Amazon oder einen anderen Weg in China. Das würde bei der Garantie-Abwicklung mühsam.

Mein Freund Tim schnappgeschossen mit dem Carl Zeiss 1.5/50 Sonnar bei f1.5 auf seinem Balkon, als 2019 schon einmal so tat, als wäre der Sommer nah.

Man sollte allerdings nicht erwarten, dass man nun bei allem Komfort durch diesen Adapter zwei Fliegen mit einer Klappe würde schlagen können. Zum einem merkt man schon, dass der Techart-Adapter nicht so gut verarbeitet ist, wie jene von Novoflex und anderer Wettbewerber mit gleichem Qualitätsanspruch. Gerade beim M-Bajonett merkt man, dass die Objektive nicht ganz so geschmeidig einrasten. Außerdem funktionieren nicht alle Linsen gut an der Sony a7 II. Mein Voigtländer Nokton 1.4/35 mm zum Beispiel wird nicht wirklich scharf, das Problem sollen in dieser Kombination auch Leica-Objektive haben, sagte man mir.

Was aber für den Versuch, es mit M-Bajonett-Objektiven zu versuchen, spricht, ist der unglaubliche Gewichtsvorteil. Nimmt man das Carl Zeiss 50 mm/F 1,5 C-SONNAR T* ZM (Affiliate) mit 258 g zusammen mit Techart-Adapter, der 136 g auf die Waage bringt, und stellt das Duo dem Planar T* FE 50mm F1.4 ZA (Affiliate), das solide 778 g wiegt – also fast doppelt soviel. Preislich trifft man sich derweil auf etwa gleichem Niveau.

Der heiße Hotspot in Hamburg: das Fleetschlösschen! Ich stellte einen größeren Kontext her mit meinem
Carl Zeiss 1.5/50 Sonnar bei f4 unter Verwendung des Techart-Adapters.

Abschließend: Wenngleich Sony das von Minolta einst übernommene A-Bajonett in den letzten Jahren eher etwas stiefmütterlich behandelt hat und das ist die zurückhaltende Umschreibung, haben die Japaner doch die Möglichkeit geschaffen, die möglicherweise vorhandenen Minolta AF- und Sony-A-Mount-Objektive an den hauseigenen digitalen Vollformatsystemkameras mit dem E-Bajonett weiter zu nutzen. Der Sony LA-EA4 Objektiv Adapter (Affiliate) ist mittlerweile für rund 250 Euro zu bekommen und erlaubt die praktisch uneingeschränkte Nutzung der eben genannten Objektive.