… oder: Wie Canon kläglich dabei scheiterte, die Sony RX100 anzugreifen. Es lag mir eigentlich kaum etwas ferner, als jemals eine Canon zu kaufen. Nun war ich aber auf der Suche nach einer „Immer-dabei“, die einen recht großen Sensor, RAW sowie Zoom hat, problemlos in die Brusttasche einer Jeans-Jacke oder auch neben Sonnenbrille und Geldbörse in die kleine Bauchtasche passen würde und ob der zu erwartenden Behandlung auch nicht zu teuer ist. Nachdem ich beim Elektronik-Riesen eher aus Versehen die Canon G9X in Händen hielt, wurde diese zur Option und am Ende zu meiner ersten Wahl.
Als ich einem sehr geschätzten Freund davon berichtete, dass ich eine Kompaktkamera erstanden hätte, erklärte dieser mir umgehend, dass dies auf sein völliges Unverständnis stoßen würde, schließlich reiche für Schnappschüsse das iPhone völlig aus. In der Tat ist das, was aus meinem iPhone SE so heraus kommt für ein Smartphone-Foto schon mitunter erstaunlich, aber ich bin weiterhin der Überzeugung, dass es zwischen einem Telefon und einer „ernsthaften“ Kamera noch Platz für eine Lücke gibt, die durch eine Kompaktkamera mit einem 1-Zoll-Sensor gefüllt werden kann.
Der erste Eindruck
Wie ich schon eingangs erwähnte, hatte ich die Canon überhaupt nicht in meine Überlegungen einbezogen, sondern eigentlich die RX100 III auf dem Zettel, zumal ich die Kamera durch mehrere Begegnungen bei Sony schon ganz gut kannte und von ihren Qualitäten überzeugt war – ich werde die G9X und die Sony RX100 III im Verlaufe dieser Betrachtung ausführlich gegenüberstellen. Was dieser an sich glücklichen Beziehung im Wege stand, waren Preis und Abmessungen.
Die Canon kommt von Optik und Haptik schon durchaus hochwertig daher und die Bedienung stellte mich vor keine großen Probleme, zumal das Touchdisplay sehr gut anspricht und das Menü sich ausgesprochen aufgeräumt und auch logisch präsentiert. Trotz einer sehr geringen Anzahl und Bedienelementen, finden man sehr schnell den Weg zu den gängigen Funktionen. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass es mehr Möglichkeiten gäbe, die angezeigten Daten im Display etwas weiter zu individualisieren, aber das ist nicht entscheidend. Anders stellt es sich bei der Einschaltzeit dar und die ist mit 1,52 Sekunden (lt. dkamera.de) wirklich schnell, sogar schneller als bei der RX100.
Geliefert wird die Canon übrigens mit einer vollwertigen Akku-Ladeschale und einer relativ breiten Handschlaufe. Die „Belederung“ am Gehäuse macht dieses recht griffig und man hat ein etwas besseres Haltegefühl als beim Mitbewerber von Sony. Ergänzen darf man vielleicht noch das Stativgewinde auf der optischen Achse und natürlich den Link zu den technischen Daten bei canon.de, wobei ich jetzt schon einmal ankündigen darf, dass wir auf die Abteilung „Reihenaufnahmen“ zu sprechen kommen müssen.
Wie schlägt sie sich im Vergleich zur Sony RX100 III?
Um den Vergleich mit der Sony RX100 III aber zunächst einmal in aller Ausführlichkeit abzuhandeln, stelle ich Abmessungen, einzelne Ausstattungen und Werte, wie die DxO-Ergebnisse, nebeneinander, um einen sehr objektiven Eindruck zu erwecken – außerdem sind Illustrationen und Tabellen immer schön.
Die kleine Sony RX100-Reihe ist ja Vorreiter und Platzhirsch in dieser Kameraklasse mit 1-Zoll-Sensor und die Canon wird sich an diesem messen lassen müssen. Auch ich stand vor der Frage, welche der beiden Kameras es denn sein sollte. Wie oben schon skizziert: mir waren Preis und Abmessungen ausgesprochen wichtig. Gehen wie die Sache nun aber etwas planvoller an und stellen einige Punkte gegenüber.
Canon G9X | Sony RX100 III | |
---|---|---|
Sensor | 1,0-Zoll-Typ Back Illuminated CMOS, 20,9 Megapixel | EXMOR R® CMOS Sensor Typ 1,0 Zoll, 20,1 Megapixel |
Objektiv | Canon Zoom Lens 3x IS, f2,0 - 4,9, 10,2 – 30,6 mm (äquivalent zu KB: 28 – 84 mm) | ZEISS Vario-Sonnar T*, f1,8-2,8, (äquivalent zu KB: 24-70 mm) |
kleinste Blende | f11 | f11 |
Videoauflösung (höchste) | (Full-HD) 1.920 x 1.080, 59,94 / 50 / 29,97 / 25 / 23,98 B/s | AVCHD: 28 MP PS (1920 x 1080/50p) / 24 MP FX (1920 x 1080/50i) |
Display | 7,5 cm (3,0 Zoll) Touchscreen-LCD (TFT). 3:2 Seitenverhältnis. ca. 1.040.000 Bildpunkte, Touchdisplay, nicht schwenk- oder klappbar | 7,5 cm (3,0 Zoll), 4:3 Seitenverhältnis, 1.228.800 Bildpunkte, TFT-LCD, kein Touchdisplay, klappbar |
elektronischer Sucher | - | Integrierter elektronischer OLED Tru-Finder Sucher (EVF) |
Verschlusszeiten | 1 - 1/2.000 sec. , 30 sec Langzeitbelichtung | 1 - 1/2.000 sec. , 30 sec Langzeitbelichtung |
Blitz | ja, außerdem erhältlich: Externer Blitz Canon High Power Flash HF-DC2 | ja |
Serienbildfunktion (RAW), SanDisk Extreme 30 MB/s | 1 Bild/sec (2 Bilder) GETESTET | 6,7 Bilder/sec (26 Bilder) |
Wifi, NFC | ja, ja | ja, ja |
Straßenpreis (Juli 2016), | ab 365,99 | ab 679,00 |
Reihenaufnahmen
Ich hatte mich ja eigentlich sehr wohlwollend über die Bedienbarkeit der Canon geäußert, allerdings ist die Canon völlig unbrauchbar (sic!), wenn man Bilderserien als RAW schießen möchte. Egal, ob ich eine Speicherkarte nutze, die 30 MB/sec oder 80 MB/sec schreibt, ich kann im Serienbildmodus binnen zwei Sekunden zwei Fotos machen und dann wird gespeichert. Es wird auch nicht schneller, wenn man zwei, drei Einzelbilder in Folge schießen will. Die Szene ist dann in aller Regel schon gelaufen und das ist alles andere als zeitgemäß, das ist großer Mist und da tröstet es nicht, dass es mit JPEGs schneller geht. Wenn man einen Platzhirsch, wie die Sonys angreifen will, muss man nicht nur in die Nähe seiner Leistungsfähigkeit kommen, man muss zumindest versucht haben, besser zu sein und am Ende hat man sich im Vergleich zum Vorgänger Canon S120 von 2013 auf jämmerlichem Niveau sogar verschlechtert.
Ergebnisse
Ich bin nicht unzufrieden mit der Bildqualität, wenngleich man nachlesen kann, dass die Canon hier im Vergleich mit der Konkurrenz das Nachsehen hat, aber auf einem guten Niveau, wie ich finde. Die Dynamik ist mehr als ausreichend, der „Makro-Modus“ ist wirklich gut, die Schärfe im Allgemeinen auch und die Bildstabilisation verdient sogar ein echtes Lob von meiner Seite. Das ist alles sichtbar besser, als das, was mein iPhone SE abliefert und verhilft der G9X damit tosend zu ihrer Daseinsberechtigung. Natürlich ist ein Portraitshooting mit brutaler Freistellung nicht wirklich drin, aber Gegend, Lichtstimmungen, Kneipenabende, tobende Kinder … alles gut machbar.
Was Canon dazu sagt
Ich hatte schon kurz nach dem Kauf an Canon geschrieben, weil ich eine so schwache Performance des Prozessors für einen Defekt halten wollte, las aber in den folgenden Tagen, dass bei allen G9X so sei, was die Sache nicht besser machte. In der Antwort bestätigte mir dann auch Canon …
Aufgrund der höheren Datenmenge und dem Prozessor DIGIC 6 verlangsamt sich die Bildrate deutlich, selbst dann, wenn Sie eine schnelle Speicherkarte verwende[n].
Darüber hinaus teilte man mir mit, dass man bei der Entwicklung halt meinte, mit einem nicht so leistungsfähigen Prozessor doch eine Zielgruppe von Interessierten ansprechen zu können, wobei ich mich frage, welche Zielgruppe nicht einmal zwei, drei Bilder in schnellerer Folge schießen möchte.
Pro & Contra
Pro
- geringe Abmessungen der Kamera, die sie fast hemdtaschentauglich machen.
- das gute und präzise Touchdisplay
- eine insgesamt sehr gute Bedienbarkeit
- sehr passable Bildstabilisation
- der verhältnismäßig geringe Straßenpreis
- die gute Haptik
Contra
- die indiskutabel schlechte Serienbildleistung
- die etwas enttäuschende Lichtempfindlichkeit des Objektivs
- die im Vergleich zum Mitbewerber Sony etwas schlechtere Abbildungsleistung
- keine Panoramafunktion
- es ist eine Canon
Fazit
Bei den hochwertigen Kompakten kommt Canon leistungsmäßig nicht an die RX100-Reihe von Sony heran. Das ist umso verwunderlicher, als dass Canon mit der S90 und den Nachfolgern bis S120 schon einmal wirklich passable Kompaktkameras im Portfolio hatte. Schon bei den Systemkameras ohne Spiegel hat Canon nur ein höchstens mittelmäßiges Produkt in mehreren Anläufen auf den Markt gebracht, da wundert es schon, dass man bei diesem Versuch ähnlich schlecht abschneidet. Die Firma ist bestimmt nicht gut beraten, sich auf der Kompetenz für DSLR auszuruhen, selbst, wenn man mit Druckern und Scannern etwas breiter aufgestellt ist.
Zurück zum „corpus delicti“: Ob ich den Kauf nun bereue? – Nicht, wenn ich mich an mein Lastenheft vor dem Kauf erinnere und dies vor dem geistigen Auge immer wieder aufrufe. Man kann es besser machen, man sollte es besser machen, aber von dem, was gerade auf dem Markt zu haben war, erfüllte die G9X meine Forderungen am besten!
Nachtrag, Oktober 2016
Ja, sie ist immer noch sehr kompakt und passt in die Jeans-Jacke, aber ich habe schon versucht, sie zu verkaufen. Man hatte mir 250 Euro geboten und ich war eigentlich nicht geneigt, meine Schlappe so teuer zu bezahlen, also rede ich mir weiterhin ein, dass ich sie gebrauchen kann. Sie ist immer noch mein steter Begleiter, ist in die Umhängetasche verbannt und ich hole sie schon gar nicht mehr heraus, wenn die Kinder toben, weil ich das erst nach Umstellung auf JPEG auf den Chip bannen könnte. Im letzten Kurzurlaub hat mich die Canon schon nicht mehr begleitet, ich hatte die Ricoh GR eingepackt und sie tat ihre Aufgabe bestens. Manchmal weiß man erst, was man hat, wenn man glaubte, etwas anderes wäre besser. Von der GR ist übrigens schon die zweite Generation auf dem Markt. Falls jemand sucht …
Nachtrag II, März 2018
Wir haben uns getrennt.