Thema: Fotografie | Leser: Fotografen. Auf dem Rückdeckel des Buchs „Die sieben Todsünden der Fotografie“ von Monika Andrae fand ich mich zunächst einmal wieder. Reflexionen und Wege zu besseren Bildern wurden außerdem in Aussicht gestellt, ich fing also an, das Buch zu lesen.
Ich finde meine Bilder nicht schlecht, war und bin mir aber völlig darüber im Klaren, dass man vieles besser oder auch grundsätzlich anders machen kann. Was mich aber dennoch dazu bewog, es gründlich zu lesen, war die Auffassung, dass ich wohl ein wenig steckengeblieben bin in meiner Entwicklung und wie im Fußball-Geschäft suchte ich nach einem frischen Impuls. Da ich allerdings keinen Trainer entlassen und abfinden konnte, wurde es also die Lektüre – zeitgleich mit Haruki Murakamis neuem Werk „Die Ermordung des Commendatore“ Band 1.
Für den reflektierten Schwenk hat sich Monika Andrae einen roten Faden gesucht und in den sieben Todsünden, das sind Superbia (Hochmut), Avaritia (Geiz), Luxuria (Wollust), Ira (Zorn), Gula (Völlerei), Invidia (Neid) sowie Akedia (Faulheit), gefunden. Sie selbst schreibt in der Einleitung:
Ohne bewusst darüber nachzudenken, begann ich auszuloten, welche der sieben Laster mir denn schon in meinem fotografischen Schaffensprozess über den Weg gelaufen sein könnten.
Jedes dieser Kapitel wird eingeleitet mit dem Brückenschlag von der jeweiligen Sünde zur Fotografie. Für mich ganz unterhaltsam, für andere Rezipienten vielleicht auch etwas zu weit ausholend und zunächst augenscheinlich von der Materie wegführend. Den Beweis, dass die Autorin ausgesprochen belesen ist, wird mitunter eindrucksvoll geführt. Ich empfand die Gedankengänge jedoch nicht als sehr bemüht, musste mich aber auch nicht in jedem Bild mitnehmen.
Monika Andrae stellt gute Fragen, fordert und fördert das Nachdenken über das eigene Tun, mitunter fühlte ich mich zurückversetzt in die Lektüre von Allen Carr’s „Endlich Nichtraucher“, wo mit vorgebliche Bekanntes fast penetrant wiederholt wird, was nicht schlimm ist. Ich rauche seit 10 Jahren nicht mehr.
Welches Kapitel mir am nächsten kam, war jenes über die Faulheit. Ich habe die geringer werdende Freizeit selten dazu benutzt, mich aufzuraffen und viel schlimmer noch, nicht wirklich dazu, meinen Horizont ernsthaft zu erweitern. Ich habe also meine Komfortzone nicht wirklich verlassen.
Dummerweise ist die Komfortzone auch der Bereich, in dem man nicht viel Neues vorfindet. Wenn Sie sie selten verlassen, werden sich ihre Bilder vermutlich immer ähnlich anfühlen und die fotografische Weiterentwicklung wird – wenn überhaupt – sehr langsam vonstatten gehen.
Mitunter werden Gedanken dann auch für mich viel zu wissenschaftlich oder generalstabsmäßig verarbeitet. Ließ ich mir drei ineinanderliegende Kreise von Komfort, Lern- und Panikzone (S. 154) noch gefallen und erfreute mich an die Mengenlehre, die ich irgendwann in den 1980er Jahren in der Schule hatte, konnte ich mit der „Mindmap“ (S. 158) überhaupt nichts anfangen, sie stieß bei mir auf offene Ablehnung. Für manche ist eine ganz gewissenhafte Planung und das theoretische Durchspielen von Eventualitäten, was, woran man sich festhalten kann – für mich sind es ungewollte Fesseln.
Mein vielleicht liebster Satz im Buch ist vermutlich – schon wegen seiner absoluten Klarheit – folgende Feststellung: Grundsätzlich gilt: Alle Elemente, die keine Zusatzinformationen zum Motiv liefern, die das Motiv nicht verstärken, haben im Bild nichts zu suchen. Das konnte man so stehen lassen, ebenso wie die Aufforderung Machen Sie es sich zur Angewohnheit, Dinge stets neu und zum ersten Mal zu sehen. Man wundert sich doch, was man noch entdeckt.
Ebenfalls mit Vergnügen gelesen habe ich viele der Abschnitte über die Ausrüstung (Tenor: It’s meistens not the fucking camera!), weil ich mich selbst hin und wieder ertappt gefühlt habe, wenngleich es in der Regel ein früheres Ich erwischt hatte.
Was behalte ich übrig? Den Entschluss, mit einige StoryCubes zu kaufen, um Ideen zu entwickeln und die Kaufempfehlung für dieses Buch, wenn meine kleine Rezension nicht abgeschreckt hat und man sich mit kurzweiliger Horizonterweiterung anfreunden kann.
Ich lenke meine Aufmerksamkeit derweil schon auf „Die Ermordung des Commendatore“ Band 2 – der erste Band war wieder einmal hervorragende Lektüre.