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Ottensen – Das Ende der Hood

Große Brunnenstraße, 2017, in der Mitte das „Blaue Barhaus“, eines der ältesten Gebäude Ottensens.
2018 abgerissen.

Es muss 1977 gewesen sein, als ich in den Betriebskindergarten nach Ottensen kam, meine erste eigene Bude bezog ich Mitte der 1990er in der Hood, 2017 zog ich weiter in den Westen. Eine größere Wohnung für die Familie konnte ich mir in meinem alten Viertel nicht mehr leisten. In den vergangenen zehn Jahren hat die Gentrifizierung die Einwohnerschaft weitgehend ausgetauscht und während man sich zunächst in den alten „Kulissen“ noch einrichtete, verschwinden immer mehr alte Gebäude, um durch gesichtslose Neubauten ersetzt zu werden.

Autowerkstatt Nether an der Bahrenfelder Straße, um 2008.
Kurz darauf abgerissen und durch Neubauwohnungen ersetzt.

In den vergangenen zehn Jahren war ich immer wieder mit dem Fotoapparat im Viertel unterwegs und habe viele Fotos gemacht bevor alteingesessene Geschäfte oder ganze Häuser verschwanden.

Eingang zu einem Werkhof in der Erzbergerstraße.
2012/13 entstand hier die Wohnalage „Fette Höfe“ mit 25 Luxusappartements.

Industrie und Handwerk werden bei der Umgestaltung immer weiter aus Ottensen verdrängt, das Viertel wird massiv nachverdichtet. Ein Quadratmeterpreis bei einer Eigentumswohnung von 8.000 Euro und mehr ist nicht so unüblich.

Für Ottensen einst typische Flachbauten in der Bahrenfelder Straße.
Discounter Aldi baute an 2013 an dieser Stelle einen neuen Markt mit Wohungen.

Ich mag gar nicht in Frage stellen, dass diese Flachbauten – oft aus der Nachkriegszeit – baulich nicht mehr im besten Zustand sind, dass der Raum beim Platzbedarf „verschenkt“ ist, aber es ist auch so, dass eben diese „Lückenbüßer“ jahrzehntelang das Bild meiner Heimat geprägt haben und eben durch völlig gesichtslose, beliebige Bauten ersetzt werden. Das ist für Investoren fraglos sinnvoll, aber gut muss man das nicht finden, wenn man in der Nachbarschaft wohnt.

Zwei ebenfalls in den letzten Jahren in der Bahrenfelder Straße abgerissene Flachbauten.

Der Laden auf der linken Seite im Bild oben stand schon so lange leer, dass ich mich nicht daran erinnern kann, was darin war. Da auch noch das höhere Gebäude rechts dem Abriss zum Opfer fiel, steht hier nun ein recht großer Klotz aus Glas und Klinker.

Foto Köhler, Bahrenfelder Straße, seit Ende 2016 geschlossen

Ein ganz großer Einschnitt für mich war die Schließung von Foto Köhler. Meine Berater und Entwickler des Vertrauens für viele Jahre, Herr Kemm, ging in Rente. Eigentlich hatte eine Fotografin das Geschäft fortführen wollen, doch die massive Mieterhöhung des nicht sanierten oder wenigstens grundlegend renovierten Ladenlokals ließen sie von der Idee Abstand nehmen.

Nöltingstraße/Ottenser Hauptstraße.
Das Fachgeschäft für Messer, Scheren und so weiter schloss vor einigen Jahren.

Die „Boutiquesierung“ der Hood führt für mich zur Entfremdung. Hatten wir über Dekaden noch sehr viele inhabergeführte Geschäfte für die Waren des täglichen Gebrauchs, siedelten sich in den letzten 15 Jahren immer mehr Boutiquen, Filialisten und Friseure an. Frau Reiter betrieb ihr Geschäft für Messer, Kochutensilien, Scheren und Schreckschusspistolen (Ottensen war ein hartes Pflaster!) solange ich denken konnte. Mit großer Freundlichkeit und großer Ausdauer beim Schnack bot sie ihr breites Sortiment feil. Als sie sich zur Ruhe setzte, gab sie das Geschäft auf.

Der Zeise-Parkplatz. 
2017 wurde der Zeisehof an der Friedensalle/Behringstraße fertiggestellt.

Bürgerbegehren, jahrelange Proteste und dann waren sie doch da: über 800 Werber von Scholz & Friends. Das „Filetgrundstück“ an den Zeisehallen war nach der langjährigen Nutzung als Parkplatz von einem Investor bebaut worden. Das war nicht Stein des Anstoßes. Vielmehr ging es darum, dass entgegen früherer Versicherungen keine bezahlbaren Wohnungen gebaut wurden, sondern noch mehr Büros entstanden. An Geschäftsräumen herrscht in Hamburg traditionell wenig Mangel.

Bahrenfelder Straße, recht neben Aldi