2021 in Norddeutschland: Man fährt mit der Deutschen Bahn zwischen Hamburg und Berlin und alle Reisenden haben über WLAN kostenlos Zugriff auf eine stabile Internet-Verbindung mit hoher Datenrate und ohne Trafficbeschränkung. Und dann wacht man schwer atmend auf, das Smartphone zeigt „Edge“ und einen schüchternen Balken, das WLAN hat einen rausgeworfen und die Landschaft irgendwo zwischen Ludwigslust und Wittenberge rauscht vorbei. Die Klimaanlage ist ausgefallen, es ist Sommer, es ist überraschend warm.
2012 in Kanada. Man fährt mit der VIA Rail zwischen Toronto und Montreal und alle Reisenden haben über WLAN kostenlos Zugriff auf eine stabile Internet-Verbindung mit hoher Datenrate und ohne Trafficbeschränkung. Man wacht entspannt auf, auf dem Nebensitz wird ein Spielfilm geguckt, gegenüber nimmt jemand erstaunlich unauffällig an einer Video-Konferenz teil und zwei Reihen weiter vorn starren Kinder auf ein Tablet. Die Klimaanlage summt leise vor sich hin, es ist Juli, sie kühlt.
Es ist noch nicht Sommer 2021, das stimmt, ich habe auch die Corona-Maßnahmen mit Abstandsregeln, mit Masken, mit dem Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften, nicht herausgearbeitet. Es ist die Lebenswahrheit so vieler Menschen auf der ganzen Welt und doch für diese Geschichte ohne Belang. Meine Frau und ich flitterten 2012 durch den Osten Kanadas – 2012 und nicht 2021, aber bis auf einen Zahlendreher … Man kann darauf kommen. Wir waren nicht alleine, als Chronistin hatte ich eine Fuljifilm X100 mitgenommen, damals mit 12 Megapixeln sehr passabel ausgestattet, mit einer Brennweite von 23 mm – dem Kleinbild entsprechend 35 mm, man liest, es sei die Reportagebrennweite.
Es war mitten in der Nacht, als wir via London-Heathrow in Ontarios Metropole Toronto angekommen waren. Auf dem British-Airways-Flug hatte ich mir in guten Gesprächen mit Einheimischen vor der Flugzeugtoilette (man sollte auch Wasser und Softdrinks in Maßen genießen) auf unsere erste Stationen in Kanada eingestimmt.
Während wir zunächst unser neu erworbenes Wissen über die Stadt gewissenhaft auf seine Tauglichkeit überprüft hatten, erwarteten wir in den kommenden Tagen in der Hotel-Lobby die Ankunft von Alfred, einem nicht zu groß gewachsenen Schweizers, der vor Dekaden im Land hängengeblieben war und fortan deutschsprachige Touristen, also uns, an die Niagara-Fälle fahren sollte. Dort angekommen gab es ein absolut sehenswertes Naturschauspiel, inklusive der Bootsfahrt bis ganz dicht in die Gischt unten unter die Fälle. Was aber eben so sehenswert war/ist, war/ist die Bandbreite an Touristen, die nur die Fälle erleben oder heiraten wollten. Wir waren dann mit unserer Gruppe im wahrscheinlichen schlechtesten Restaurant des kanadischen Ostens. Es stand in keinem uns bekannten Reiseführer – nicht einmal als Warnung.
Nicht warnen muss man vor der Ville de Québec. In Nordamerika habe ich, der Boston und dort Back Bay und Beacon Hill so mag, keine schönere, keine europäischere Stadt gesehen. Das gesamte Zentrum ist von einer solchen Großartigkeit. Man hat mir bislang keine ausgeprägte Frankophilie unterstellt, aber schon die Architektur, die Restaurants und die Internationalität begeistern, der Blick über den St. Lorenz Strom haut einen um.
Toronto hatte uns sehr gut gefallen, die Stadt am Ontario See ist allerdings noch ziemlich amerikanisch. Davon spürt man im ziemlich beschaulichen Quebec City nichts mehr. Selbst außerhalb des Zentrums aus Ober- und Unterstadt wähnt man sich vielerorts eher in Frankreich, selbst im Supermarkt, der auch in einem Vorort von Lille stehen könnte.
Was eigentlich nur noch fehlte, waren „les Bouquinistes“, die in Paris an der Seine das Stadtbild seit der Französischen Revolution prägen, aber das geht schon nicht, weil der St. Lorenz Strom noch ziemlich breit ist, wenngleich das Wort „Kebec“ in der Algonkin-Sprache für „dort, wo sich der Fluss verengt“ steht.
Auf der letzten Station unserer Reise checkten wir im Fairmont Hotel Montreal ein, wo schon John Lennon und Yoko Ono das große „Bed Inn“ gefeiert haben, aber das Wetter war zu schön, das Hotel zu abgewrackt (um die hohen Zimmerpreise zu rechtfertigen) und so gingen wir doch raus in die Stadt. Auch hier gibt es am Fluss schöne Häuser, auch hier ist die Größe – mit Hamburg vergleichbar – überschaubar, aber in ihren Bann hat uns Montreal nicht gezogen. Vielleicht waren wir aber auch schon etwas müde.