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Die Mär vom Ende der Analogfotografie

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Auch wenn es schwer fällt: jetzt ist der Zeitpunkt gekommen sich von der analogen Fotografie zu verabschieden. Niemand weiß wie lange analoge Geräte überhaupt noch verkäuflich sind.

Nicht nur, dass diese Zeilen an Satzzeichen sparen, auch inhaltlich ist diese Behauptung kein Grund, jetzt unruhig zu werden.

Dieser Satz findet sich auf einem Beilageblatt in einem Fotomagazin und ist Teil einer Anzeige eines Gebrauchtkamerahändlers aus München. Es klingt beinahe so, als ob man ein krankes Kätzchen zum Einschläfern abgeben solle, um es von den Leiden zu befreien oder – weniger brachial – danach, als sei diese Firma so freundlich, die Besitzer alter Kameras von diesen Altlasten zu befreien. „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ – Ede Zimmermann, übernehmen Sie!

Diese Anzeige appelliert an die Angst, dass man in nächster Zukunft auf Schrott sitzen bleibt, wenn man den freundlichen Herren nicht die Sammlung überlässt, die man selbst vor Jahren mühsam und teuer zusammengetragen hat oder jene, die aus einem Nachlass stammt.

Diese Angst ist aber völlig unbegründet!

90s 6x4,5

Die digitale Fotografie mag sehr bequem sein, man kann die Bilder auf etlichen Plattformen hochladen, man verzichtet auf die Postkarte und schickt eine Mail mit Fotos, es geht alles so schnell, das einzelne Bild kostet fast nichts, man muss sich nicht mit Filmen „herumschlagen“. Das lässt sich alles nicht von der Hand weisen, ebenso wenig, wie der Umstand, dass auch in der professionellen Fotografie die digitalen Bilder dominieren. Aber ist das gut und richtig und der Weisheit letzter Schluss?

Das wird man selbst entscheiden müssen, aber ich möchte doch zumindest den einen und auch den anderen Punkt zu bedenken geben, wenn er am Ende auch nur dazu beiträgt, dass man einzuschätzen weiß, welche Schätze man mitunter daheim hat und diese nicht unter Wert veräußert. Es gibt einen großen Markt für hochwertige (sic!) analoge Fotoapparate!

Wenn man sich einmal die Mühe macht, den Gebrauchtmarkt zum Beispiel auf www.photohaus.de oder www.leicashop.com oder www.meister-camera.com zu betrachten, sieht, dass sogar in Deutschland/Österreich mitunter sehr gute Preise verlangt werden für gute analoge Kameras – beim Verkauf in solchen Geschäften muss man jedoch darauf gefasst sein, dass der gebotene Ankaufspreis etwas ernüchternd ist, aber man sollte den Preis im Wissen um den möglichen Marktwert zumindest in Frage stellen, auch wenn natürlich das Risiko des Händlers (Ladenhüter, Defekte, etc.) nicht vergessen werden darf. Auf den asiatischen Markt, besonders Japan und Hong Kong, weise ich am Rande hin, doch ich habe den Eindruck, dass sich dort noch auf Jahre hinaus ein Einbruch nicht einstellen wird.

Mamiya 645 Super

Ich bin der Meinung, dass die in diesen Jahren so beschworene Nachhaltigkeit und Wertbeständigkeit alleine auf die analoge Fotografie anwenden lässt. Wer wird in 100 Jahren noch mit einer heute aktuellen Digitalkamera fotografieren? Wer kann sich sicher sein, dass die Daten aus einem solchen Apparat dann überhaupt noch lesbar sind? Ich habe hunderte oder tausende Fotos auf abgerauchten Festplatten verloren, musste mir ein Lesegerät für Smart Media-Karten in den Tiefen des Netzes besorgen, damit ich Daten einer Kamera von 1998 per USB noch auslesen konnte. Über solche Zeiträume lacht man doch nur in der analogen Fotografie. Heute noch können Bilder von Glasplatten, die man ohne ein technisches Gerät betrachten kann (!), ohne Probleme abgezogen werden. Nicht ohne Grund, wird das Wissen unserer Zeit, werden Urkunden, Publikationen und Bilder für die Nachwelt auf Mikrofilm gespeichert (Beitrag auf einestages zum Barbarastollen) anstatt auf einem „ZIP-Drive“, das die heute rund 40-Jährigen vielleicht noch kennen und ich vor einem halben Jahr weggeworfen habe. Ich dokumentiere die ersten Lebensjahre meiner Tochter auf Film, damit sie die Zeit überdauern.

Analog ist für mich das Mittel für die wichtigen Bilder, die Sicherheitskopie für die Abzüge. Ich bin nicht frei von dem Verlangen, digitale Fotos rauszukloppen, aber diese Schwemme beinhaltet sehr, sehr viele verzichtbare Bilder, die ich zum Beispiel per Instagram in die Welt blase. Über das wichtige Foto denkt man nach, wählt Kamera und Film. Die Analogfotografie ist nicht die Lösung gegen die Belanglosigkeit, auch will ich nicht die arg strapazierte „Entschleunigung“ bemühen, aber einige Bilder sind den höheren Aufwand wert und die analoge Fotografie bietet soviel und seien es nur Kameras, die sich gut anfühlen und klingen und wertbeständig sind: Ich zahle für eine 30 Jahre alte Hasselblad mehr als für eine 15 Jahre alte Digitalkamera.

Was ich am Ende der Aus- und Abschweifungen zu sagen versuche: Erfreut euch an den analogen Geräten und wenn ihr sie schon nicht mehr benutzen wollt, lasst euch nicht über den Tisch ziehen.

Unbedingt möchte ich noch zur Lektüre empfehlen den Beitrag von meinem Kumpel Bellamy Hunt, der in Japan und von da weltweit mit gebrauchtem analogen Gerät handelt. Er thematisiert hier u.a. die Frage nach der Zukunft der Filmproduktion und versprüht dabei durchaus einen gewissen Optimismus. The future of film: A new hope.

13 Kommentare

  1. Ich hab ja selbst so manches (eher einfache) analoge Gehäuse hier rumliegen. Und Film im Kühlschrank. Trotzdem nutze ich deutlich am meisten die Digitalen. Aber das Bild muss auf Papier. Auch ich sehe es so, dass nur Bilder auf Papier überdauern werden. Zumindest so lange, wie jemand nachfolgt, den sie interessieren…

  2. Stephan Stephan

    Ich werde ja hoffentlich noch die eine oder andere Dekade haben, um mich gerne an das Heute zu erinnern und ich werde auch meiner Tochter gewiss Impressionen ihrer Kindheit mitgeben – wenn sie nach mir kommt, wird sie das auch interessieren.

  3. (auch) da gleichen sich unsere Hoffnungen und Erwartungen, Stephan. ;-)

  4. Stephan Stephan

    Das nahm ich an. ;-)

  5. Hi,

    ich denke, dass durch die Lomographie-Bewegung das Thema Film wieder stark in Mode gekommen ist, nichst desto trotz gibt es den Gegentrend, komplette Filmproduktionen einzustellen oder wie im Falle von Fuji die Preise um teilweise 25-50% anzuheben. Somit erhebt sich die Analoge Fotografie immer mehr zu einem Hobby für hartgesottene und gutbetuchte, Leider!

    Ich werde trotzde dabei bleiben, denn die Analoge Fotografie hat mich zu einem viel besseren Fotografen gemacht.

    VG Damian

  6. Stephan Stephan

    Ja, das Ärgernis mit Fujis Preispolitik ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, aber zum Glück sind die Japaner ja nicht Monopolist und der Markt ist da.

  7. Stephan Stephan

    Anderer Meinung bist Du ja nicht, dich stört es nur nicht. ;-)

    Danke für den Link. Ich erinnerte mich vage.

  8. Interessant wird es, wenn man bei besagtem second hand camera Fotohändler dann eines der „alten“ Objektive kauft – Bezahlung via Vorkasse. Als das Objektiv nach ein paar Wochen immer noch nicht eingetroffen war, hat man mir nach mehrmaliger Nachfrage mitgeteilt, dass es inzwischen bereits über eBay an jemand anderen verkauft wurde. Auf mein Geld habe ich dann nochmals gewartet, allerdings hat der Herr für sich eine Bearbeitungsgebühr von 15 Euro abgezogen. Da ich in der Schweiz wohne und der besagte Fotohändler in München sitzt, wäre der Aufwand, die 15 Euro einzuklagen zu hoch gewesen. Ich kann nicht beurteilen, ob das die gängige Geschäftspraxis dieses Unternehmens ist – seriöse Geschäftspraktiken sehen üblicherweise anders aus.

    Analog ist sicher nicht tot, egal was dieser Herr in seinen Flyern, die er inzwischen zahlreich streut, behauptet. Die Nachfrage nach analogen hochwertigen Kameras ist ungebrochen. Allerdings rate ich dringend davon ab, mit dem Unternehmen, welches die angesprochenen Flyer verteilt Geschäfte zu machen – “Nepper, Schlepper, Bauernfänger” trifft es ziemlich gut.

  9. Stephan Stephan

    Das Gebaren, das Du schilderst, ist alles andere als seriös. Möge der Markt das wütend regulieren.

  10. Ich seh es so: Die analoge, klassische Fotografie wird Kunst. Wie Gemälde in „Öl auf Leinwand“ – oder das Klavierspielen. Das ist dann richtig fotografische „Fine Art“. Weil das Medium stimmt. So wie es auch „Acrylfarbe auf Karton“ gibt, gibt es auch gute Digitalfotos. Aber nur das „richtig Echte“ ist das richtig Echte.

  11. Russo G. Russo G.

    Hallo Zusammen
    Ich fotografiere seit Jahren mit einer Analog Kamera,Minolta X700.Da ich immer .eine Leica wollte,habe ich mir,vor zwei Jahren,eine Digitale Leica M8.2 gekauft.
    Musste aber festellen,das ich einfach ein Analog Fan bin.Jetzt versuche ich meine Leica M8.2 zu verkaufen,und suche mir eine Alaloge M7 Kamera.Die Analog Fotografie hat etwas,müstisches,spannendes,magisches wenn,ich das versuche,meinen Dgital Freunden zu erklären,verstehen sie dass nicht.Gruss G.Russo

  12. Henning Rohne Henning Rohne

    Hallo!
    Was mich bisher an allen digitalen Kameras immer wieder stört, ist die mangelhafte Vorschau auf das Motiv. Eigentlich ja klar, da man digital das ganze Motiv ausreichend und nahezu kostenlos ablichten kann. Pech aber, wenn man dann zuhause doch feststellt, dass unter kritischer Betrachtung überhaupt kein Treffer dabei war – oder man begnügt sich wiedermal mit einem weiteren minderwertigen Ergebnis. Da ich mich beim Fotografieren bestimmter Motive immer nur auf wenige Bilder beschränke, bevorzuge ein möglichst großes und freies Sucherbild für meine Motivwahl, um so den höchsten Erfolg zu erzielen. Dieses kann mir keine Digitalkamera bieten. Ein rückwärtiges Display spiegelt fast immer oder man verwendet zusätzlich so was Ähnliches wie einen analogen Lichtschacht. Die aktuell angepriesene „gigantischste und größte“ Suchervergrößerung von 0,77-fach (Fuji X-T1) erreicht damit nur annähernd die Werte von bis zu 0,86-fach und mehr analoger Vorfahren. Selbst digitale Vollformat-Profikameras im Bereich über 4000 € haben nur die üblichen kleinen „Tunnelsucher“. Dies ist mir erst richtig bewußt geworden, seit ich mit einer Mittelformat-Kamera fotografiere. Hier kann ich die flimmerfreie Mattscheibe in der Größe von 6×7 cm direkt mit einer fast 4-fach vergrößernden Sucherlupe betrachten – das ist nahezu I-Max Kino! Das ist mein Grund, weiterhin analog zu fotografieren. Abgesehen davon kann und möchte ich mir eine vielleicht vergleichbare digitale Version dieser Aufnahmetechnik nicht leisten. Trotzdem verwende ich für viele andere Bilder auch eine digitale Kamera mit genau so einem grauenhaften elektronischen Sucher… Zugegeben macht das schnelle Knipsen auch Spaß, aber zuhause kommt dann immer wieder mal die digitale Ernüchterung bzgl. der erreichten Bildqualität im Vergleich zu einem großen analogen Abzug.
    Gruß, Henning

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