Prolog – Es gibt ja Kameras, die sind zeitlos und ich bin kaum bereit, dieses Prädikat einer digitalen Kamera zu verleihen, ich denke, es steht nur sehr ausgewählten Apparaten zu, auch wenn sie ein wenig Etikettenschwindel betreiben und gar keine Schwedin sind, sondern eine Japanerin. Die Hasselblad XPan ist nämlich in Wirklichkeit eine Fujifilm TX1 Panoramakamera mit Messsucher in leicht anderem Kleid und sie ist sehr gut!
Die Besonderheit – Der Kleinbildfilm wird in der Kamera nicht nur in der Standardgröße von 36×24 mm belichtet, was geht, aber witzlos ist, sondern auch im Format 65×24 mm, wobei dann statt 36 Aufnahmen derer 20 zur Verfügung stehen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass man heutzutage ja alles digital machen könne, einfach einige Bilder neben einander aufnimmt, sie zusammenfügt und die Verzeichnungen heraus rechnet. Das geht in der Tat bei diesem oder jenen Bild, aber ich würde es bei Langzeitbelichtungen oder Portraits oder Bildern, auch denen Bewegung zu sehen ist, nicht machen wollen. Die XPan bannt das Foto mit einem Schuss. Manch einer mag nun einwenden, man könne ein mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommenes Bild ja oben und unten beschneiden – solche Leute glauben auch, dass das Bild nicht bei der Aufnahme gemacht wird. Wer die ganzen Vorzüge noch etwas blumiger, etwas euphorischer, etwas dings lesen möchte, dem steht auf hasselbladpages.com der Originalkatalog zu Ansicht und Download zur Verfügung.
Bedienung – Die Bedienung geht sehr übersichtlich von statten. Vorne auf der Kamera haben wir Blitzsync-Anschluss, ISO-Wahl und die Objektiventriegelung. Oben wählt man die Belichtungszeit (A und B bis 1/1000s) sowie Belichtungskorrektur (-2 bis +2), löst aus und hat den digitalen Bildzähler. Der Anschluss für den Drahtauslöser befindet sich rechts an der Seite, das Bildformat wird an der Rückseite gewählt, dort befindet sich auch ein Display, das z.B. bei Einsatz der Belichtungsautomatik die Verschlusszeit anzeigt oder die ISO-Zahl.
Marktlage – Ich klammere bei der Betrachtung einmal die XPan II aka TX2 aus, auch wenn die Fujifilm mit dem Holzgriff wirklich sehr „sexy“ daherkommt, aber wer baut schon eine derart emotionale Verbindung zu seinen Kameras auf? – Äh, also ich war erstaunt darüber, wieviele XPans auf dem Markt angeboten werden. Zumeist mit dem auch von mir in der Regel benutzten 45mm-Objektiv liegt der Preis derzeit so um 1400 Euro, das 90mm-Objektiv ist ab 500 Euro zu bekommen, aber ich nutze es selten. Die dritte Linse im Angebot ist das 30mm, das zusammen mit dem Sucher gut und gerne 1800 bis 2500 Euro kostet und das Budget vieler wird sprengen dürfen. Oft gesucht werden auch noch ND-Centerfilter, die einige Fotofreunde und -innen ob der leichten Vignette für unabdingbar halten und zum Teil hunderte Euro zu investieren bereit sind. Das kann man bei hybrider Verarbeitung auch leicht und locker in Lightroom lösen. Wem Markennamen nicht so wichtig sind oder einem modischen Trend folgend und den eh abzukleben gedenken, sollten sich auch nach der Fujifilm TX1 umsehen, denn die ist oftmals um einiges günstiger zu bekommen.
Reparatur – Fragen Sie Ulf Kühn! Das wird man vermutlich dem Anrufer bei Hasselblad in Ahrensburg mitteilen, wenn der Techniker nicht schon in den Ruhestand gegangen ist. Ulf Kühn hat in Japan die Reparatur der XPan gelernt und hat mir ausführlich geschildert, wie er mit der Panoramakamera gearbeitet hat. Das klang sehr glaubhaft! Ich hatte leider schon einmal vor dem Gespräch Reparaturbedarf und da konnte Marek Wiese in Hamburg gut helfen. Vergleiche dazu meine Übersicht: Zur Analogfotografie in Hamburg heute. UPDATE August 2015: Ulf Kühn ist derzeit wie folgt zu erreichen: Ulf Kühn Service, An der Strusbek 32, 22926 Ahrensburg, Tel. 04102-49136, Mail: ulf-kuehn@t-online.de.
Fazit – Im Katalog, auf den ich weiter oben hingewiesen habe, heißt es flötend gut gelaunt: „Wie wär’s mit etwas Hasselblad für unterwegs? Leben ist Bewegung: Das Leben ist unerwartet, unvorhersehbar und spontan. Es ist flexibel, dynamisch und kann Sie an ziemlich ausgefallene Orte verschlagen.“ Brechen wir das hier ab … Mir taugt die Hasselblad XPan nicht als „Immer-dabei“, dafür ist sie mir im Vergleich mit der Zeiss Ikon ZM zu schwer und zu unflexibel. Die beiden Objektive, die ich habe, verfügen über eine Einstiegsbrennweite von f4, was für Panoramen völlig ausreichend ist und auch Portraits lassen sich damit realisieren – das ist keine Frage -, aber als Universalkamera sehe ich sie nicht, sie ist eine Spezialistin, was das Format betrifft. Ich habe sie mir vor einem knappen Jahr gekauft mit Blick auf meinen Urlaub auf Island und dort war sie perfekt, ich kann sie mir auch mehr als lebhaft vorstellen auf den Straßen von New York oder Tokyo, auf Helgoland, zur Not auch für lästig große Hochzeitsgesellschaften, wo jeder mit auf’s Bild, aber unter keinen Umständen in die zweite Reihe will. Ich lege die XPan also all jenen unbedingt ans Herz, die einen soliden Fotoapparat in der Hand halten möchten, die vermeintliche Normen des Formats von 3:2 u.ä. unbedingt verlassen wollen, die Film lieben, die Geschmack haben und stilsicher sind und die eine Ahnung davon haben, worauf sie sich einlassen.
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