Bicycle Acquisition Syndrome

Ich besitze vier Fahrräder – der Nachwuchs will wissen, warum und ich erkläre die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren. Geduldig wird zugehört, Zwischenfragen sind erlaubt, werden aber nicht gestellt. Das hätte mich schon stutzig machen sollen und es hatte mich wirklich ein bisschen gewundert, aber die abschließende Feststellung der Filia überraschte mich dann irgendwie doch nicht: „Papa, mit allen kann man nur Fahrrad fahren und keines hat einen Gepäckträger.“

Das war alles nicht von der Hand zu weisen und so kaufte ich für mein 1995 erworbenes und 2012 einmal neu aufgesetztes Raleigh-Mountainbike (ohne jede Federung) einen Frontgepäckträger, den ich bestimmt anbaue, sobald ich die Magura-Felgenbremse und den Träger unter einen Hut gebracht habe.

Ich denke nicht, dass das Problem unüberwindbar ist. Anders sieht es bei meinem hellblauen und von mir sehr geliebten Stahlrenner aus. Die Rahmengeometrie hat sich als suboptimal für meine Körpergeometrie erwiesen, was sich dann auf längeren Fahrten sehr unangenehm auf meine Hände und Handgelenke auswirkte. Beim Stadtflitzen war das in den letzten zwölf Jahren nicht so richtig aufgefallen. Mir zumindest nicht.

Ähnlich wie bei Fotografen leiden auch viele Radfahrer unter einem Anschaffungssyndrom. Das umfasst neben den Fahrrädern natürlich auch Zubehör, wie Lampen, Computer und Schlösser auch Fahrradteile wie Schaltwerke, Bremshebel, Pedale, und so weiter.

Das kann ganz irrationale Spielarten haben. Ich habe beispielsweise den Karton „Fahrradteile“ vom Schrank im Arbeitszimmer genommen und fand neben ganz tollen anderen Dingen ein originalverpacktes Shimano 105 SS Schaltwerk (kurze Ausführung). Ich hatte es einst gekauft, um den Stahlrenner damit auszurüsten und das derzeit verbaute DURA ACE Schaltwerk aus den 1980er Jahren zu behalten, wenn ich das Rad verkaufe. Nun ist das 105er Schaltwerk aber schwarz und der Renner schreit nach silber und so habe ich ein brandneues Schaltwerk im Original-Karton in einem anderen Karton.

Anstatt aber, wie es naheliegend wäre, den Karton achselzuckend zurück in den Karton zu legen, begab ich mich sofort auf die Suche nach einem 28 Zoll-Rahmen von Surley, wählte eine wunderschöne Sugino-Kurbel, Mavic Laufräder, einen Nabendynamo von Shutter Precision und Semislick-Reifen von Panaracer. Der Rest würde sich finden.

Es gelang mir mit übermenschlicher Kraft aber, meine Aufmerksamkeit zunächst einmal zurück auf das Raleigh Mountainbike zu lenken, dass in den letzten zehn Jahren einige Modifikationen erfahren hatte, weil es als „Papamobil“ herhalten musste. Es musste wurde also elektrifiziert werden, was mit Kinderanhänger und später Kita-Kinder-Sitz eine ganz coole Entscheidung war. Schutzbleche waren auch schlau, wenn man einen Anhänger hinter sich herzieht, aber irgendwann wird es alles zu Ballast und es sieht auch nicht gut aus.

Der neue Plan ist also, den Motor auszumustern, das Rad einmal komplett zu demontieren, den äußerlich durchaus ramponierten Rahmen zu entfärben und neu pulvern zu lassen. Vielleicht könnte man auch die Schaltung von 3/8 auf 1/8 umstellen. Die kleineren Kettenblätter habe ich in den letzten knapp 30 Jahren nur benutzt, um in Hamburg von der Elbe den Geestrücken hochzufahren oder am Waseberg mit Anstand zu scheitern. Also nicht so oft.

Sollte der Rahmen also die Zumutungen der „Papamobil“-Zeit schadlos überstanden haben, steht wohl ein kleiner, ein dezenter Neuaufbau an. Sitzrohr und -streben werden durch die zwei Generationen Kindersitze schon ein wenig strapaziert worden sein, welche Kräfte der Motor ausgeteilt hat, wird zu prüfen sein, aber wenn’s geht, dann machen wir das!

Habt ihr auch ein „Traumrad“ im Kopf, das man sich auch ohne Erbe oder Lottogewinn würde leisten können? – Vielleicht brauche ich ja noch Inspiration für einen Communter und falls jemand sich in den Stahlrenner verguckt hat: Schreibt mir einfach. 🤓