Ich war jetzt das zweite Mal im Herbst in Japans Hauptstadt und wenngleich es mal wieder viel zu kurz war, habe ich doch einige Beobachtungen und Erfahrungen gemacht, die ich gerne teilen würde.
Fahrradfahren in Tokio
Ursprünglich hatte ich ja geplant, mein Brompton-Faltrad mit nach Japan zu nehmen und obwohl ich zwei Koffer bis zu 23 kg hätte mitnehmen dürfen, machten mir die Außenmaße des Fahrradkoffers insofern einen Strich durch die Rechnung, als dass ich noch einmal rund 200 Euro extra zu bezahlen gehabt hätte, um die Lufthansa/ANA dazu zu bringen, es für mich zu fliegen.
Statt auf dieses unmoralische Angebot einzugehen, buchte ich bei „Soshi’s Tokyo Bike Tour“ für rund 60 Euro die „Water Front Tour“ und eben dieser namensgebende Soshi zeigte mir und der reizenden Teilnehmerin aus Berlin dann in rund 3 Stunden auf knapp 20 Kilometern die absolute Vielfalt der japanischen Megacity, also eigentlich nur eine kleine Ecke, aber eine vielfältige.
Dazu sollte man erwähnen, dass Tokio keine wirkliche Fahrradstadt ist, aber die Zweiräder werden doch rege genutzt und dank der verbreiteten gegenseitigen Rücksichtnahme funktioniert es auch ziemlich gut. Ich habe das vor der Reise skizzierte Projekt „Tokio mit dem Rad erfahren“ auf jeden Fall noch lange nicht abgeschrieben. Die ersten Kilometer machten auf jeden Fall Lust auf mehr.
Grundwortschatz Japanisch
„Japanisch im Sauseschritt“ ist ein wirklich tolles Lernwerk für Japanisch mit mittlerweile vielen Ergänzungen, wie einer App zum Lernen unterwegs. So praktisch, so niedrigschwellig das Angebot auch ist – ich habe es nie ernsthaft in Anspruch genommen. Die Bände, die ich gekauft hatte, geben meinem Bücherregal aber einen schönen kosmopolitischen Touch.
Wo man in Tokio mittlerweile mit Englisch und Übersetzungs-Apps schon recht weit kommt, ist es doch unbedingt zu empfehlend, sich zumindest ein Minimum von alltäglichen Aussagen und Floskeln anzueigenen. Konichi-wa 今日は bedeutet „Guten Tag!“ und darf rege gebraucht werden, am Abend und zur Nacht nutzt man Konbanwa こんばんは. Unentbehrlich ist auch der richtige Dank. Mit Arigato gozai-masu ありがとうございます ist man in der Regel gut aufgestellt. Man bedankt sich häufiger, als man es in Deutschland gewohnt ist, weil in Japan der Umgang miteinander viel rücksichtsvoller und höflicher ist und man in den Geschäften in der Regel bemühter ist, die Kunden wirklich zufrieden zu stellen. Würdigt es!
Keinesfalls zu unterschätzen die die Entschuldigung Sumimasen すみません. Ich hatte diese schon durch die Amazon-Serie „James May in Japan“ kennen- und schätzen gelernt, der eben eingeführte Soshi hatte uns ebenfalls ermutigt, es beim Fahrradfahren zu sagen, anstatt zu klingeln. Das wäre zum einem unhöflich und zum anderen hatte er an seine Leihräder vorsichtshalber gar keine Klingeln angeschraubt. Diese ziemlich universale Entschuldigung kann man übrigens auch vortragen, wenn man beispielsweise im engen Konbini einmal vorbei oder an die Onigiri möchte.
Welche Kamera-Ausrüstung völlig ausgereicht hätte
Wenn man viel Zeit, vielleicht zuviel Zeit hat, um sich auf eine Reise vorzubereiten, dabei etliche Szenarien durchspielt und darüber hinaus auch ein bisschen Lust hat, die Fotoausrüstung einer kleinen Revision zu unterziehen, dann kann schon so etwas dabei herauskommen, was ich hier geschrieben hatte: 必要だと思うもの – Gear Acquisition Syndrome
Es war ziemlich viel Zeugs, das ich dann mit nach Japan geschleppt hatte. Neben der Sony a7c (Affiliate) mit drei Objektiven, der Sony RX 100 III und der DJI Osmo Action 3 hatte ich auch noch die Voigtländer Bessa III und frische Filme mitgenommen. Außer auf den Wegen vom und zum Flughafen hat die Analogkamera das Hotelzimmer nicht verlassen. Das hat mich so sehr irritiert, dass ich entschlossen war, meine drei besten Analogkameras zu verkaufen. Zum Glück oder auch nicht war mir der vom Händler angebotene Ankaufpreis aber zu niedrig. Verkauft habe ich die digitale Sony RX 100 III, den schweren Backstein.
Fotografiert – und das viel zu wenig – habe ich mit den beiden Sony-Kameras und zwar in der Regel in einem Brennweitenbereich von 24 bis 35 mm (KB), selten mit dem 15 mm und dem 50 mm. Ich hätte mit meiner nun 10 Jahre alten 😲 Ricoh GR, die KB-entsprechend 28 mm hat und für die ich eine 21er-Vorsatzlinse besitze, den Brennweitenbereich also weitgehend abgedeckt und dann gänzlich auf eine Fototasche verzichten können. Allerdings ist die GR zum Filmen weitgehend ungeeignet, daher wäre die Osmo Action weiterhin dabei gewesen.
Der SUICA-Pinguin
Der Suica-Pinguin ist nicht nur sehr niedlich, er steht – wie auch PASMO – in Tokio für ein ausgesprochen praktisches Bezahl-System. Man kann damit nicht nur Fahrkarten der JR- und Metro-Linien kaufen, indem man das Smartphone an die Schranke hält, sondern u.a. auch in den Konbinis und an Automaten bezahlen.
Leider sind die physischen SUICA- und PASMO-Karten derzeit rar. Die Versionen für Touristen kann man sich vorab noch reservieren und dann nach Hause schicken lassen oder an den Flughäfen abholen, aber ich war ganz dankbar, dass ich in Haneda an der langen Pinguin-Schlange habe vorbeigehen können.
Ich hatte die SUICA nämlich in meinem Apple Wallet – ein Trick, den Android-User*innen hassen – und konnte die Karte einfach mit der Kreditkarte, die ich vorher habe freischalten lassen müssen, aufladen. Es wird dabei eine Gebühr von 1,25% für die Währungsumrechnung fällig, also 8 Cent pro 1000 Yen. Das sollte einem die Bequemlichkeit wert sein. Es gibt aber auch Anbieter, wie N26, so sagte man mir, die auf diese Gebühr verzichten. Dafür aber eine Geschäftsbeziehung mit einem nicht ganz unumstrittenen Unternehmen einzugehen, war es mir dann auch nicht wert.
Shoppen in Tokio und das Gepäckdilemma
157 Yen gibt es für 1 Euro – im Herbst 2023 meinte es der Umrechungskurs ganz gut mit jenen, die im Japan einzukaufen gedenken. Der Freibetrag bei der Einfuhr nach Deutschland trägt diesem allerdings keine Rechnung, so dass bei 430 Euro die Freigrenze erreicht ist. Was darüber hinaus geht wird mit Zoll und der Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent bedacht.
Ich selbst wäre vermutlich mit meiner Eastpack Transit’R-Tasche 67 cm (Affilinate) ausgekommen, wenn mir meine japanische Freundin nicht tütenweise Knabbereien und Süßigkeiten für meinen Nachwuchs mitgegeben hätte und so erwies es sich als glänzende Idee, die mehr als robuste Ortlieb Duffle Metrosphere 60 einzupacken. Sie nimmt auf dem Hinweg kaum Platz weg und ist sicherlich ein nachhaltigerer Kauf, als die Billigkoffer, die sich Horden von Touristen kurz vor der Heimreise im „Donki“ (Billigkette Don Quijote) kaufen.
Ein japanisches Messer
Was ich unbedingt hatte kaufen wollen, war ein japanisches Küchenmesser mit einer Gravur meines japanischen Namens und natürlich durfte dieses Messer nicht irgendwo, sondern nur in der Kappabashi Dogugai-Dori in Taito, wo rund 200 Geschäfte Küchen- und Restaurantbedarf anbieten, gekauft werden.
Wir waren sicher in einem halben Dutzend Fachgeschäften, die eine große Bandbreite von Messern anboten und trotzdem nicht hatten, was ich suchte: Ein Petty-Knife mit 105 mm Klingenlänge und Schmiedehaut, weil es einfach mehr nach Handarbeit aussieht und ich es optisch mag.
Voll war es auf jeden Fall an dem Tag, vor lauter Australiern und Franzosen in kurzen Hosen kam man kaum in die Geschäfte. Ich war ernüchtert. Tokyo war im Vergleich zu 2005 furchtbar touristisch geworden. Ich wäre wegen meiner japanischen Begleitung gar nicht auf die neuen Fremdsprachenkenntnisse der Mitarbeiter angewiesen gewesen, aber es geht ja nicht nur um mich.
Leider hatte das Geschäft, in dem die Messer noch mit Spitze gestochen wurde, keines, das meinen Vorstellungen entsprach und so landet wir schließlich bei Koshinoitto, das weder ein Petty hatte, noch mit der Hand gravierte, aber irgendwie war ich, leicht angeschlagen, dann doch bereit, einige Kompromisse einzugehen und ein sehr brauchbares Messer zu kaufen. Allerdings ist die Gravur von einem Automaten mit stumpfer Spitze eingehämmert und die Schmiedehaut irgendwie erst später draufgekommen, aber es ist gut ausbalanciert und sauscharf. Schön ist es auch.
Zeit-Geist: Die 80er haben angerufen
Was ich allerdings als eine echte Trophäe nach Hause geschleppt habe, ist meine Retro-Digitaluhr von Citizen. Die auf meiner Wunschliste ganz oben stand. Ich habe mich auch nicht davon abschrecken lassen, dass man im Citizen Flagshipstore in Ginza unmerklich die Nase rümpfte, als ich mein Interesse an diesem Modell äußerte. Gerne wies man mir mit genauer Wegbeschreibung den Weg zu einem Geschäft, das Artikel dieser Art feilbot.
Bei GINZA LOFT im 銀座VELVIA-Gebäude werden auf mehreren Etagen, Snacks, Tinnef, Gepäck, Schmuck, Uhren und Wohnaccessoires angeboten und schon sehr bald stand ich vor der richtigen Vitrine, in der die Uhren der CITIZEN COLLECTION RECORD LABEL ausgestellt wurden. Mein Modell mit Thermometer ist offenbar eine Neuauflage aus dem Jahr 1982, es gibt hier auch analoge Uhren, eine STAR WARS-Reihe etc.
Sofort wollte ich die Uhr kaufen und mitnehmen, aber die junge Verkäuferin wollte das nicht. Ich hatte meinen Reisepass im Hotel gelassen, ohne diesen würde ich aber am Duty Free-Schalter nichts werden und könnte die Steuern nicht zurückbekommen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Uhr zurücklegen zu lassen und am nächsten Tag wieder zu kommen. Ich kam, kaufte und nahm mit.